Fixed- versus Random-Effects Model
In einem Fixed-Effect Model wird davon ausgegangen, dass der wahre Effekt in den untersuchten Interventionen vergleichbar ist und somit keine wesentliche statistische Heterogenität besteht respektive, falls es eine Variabilität gibt, ist diese rein zufällig beziehungsweise durch die Variabilität der Stichprobe bedingt. Im Gegensatz dazu wird bei einem Random-Effect Model davon ausgegangen, dass unterschiedliche Ergebnisse vorliegen, diese aber zu einer gemeinsamen Verteilung gehören. Es besteht eine gewisse Heterogenität der Daten. Zur Beurteilung der Heterogenität stehen verschiedene statistische Test zur Verfügung (z. B. I2 Statistik). In chirurgischen Meta-Analysen kann eigentlich immer von einer gewissen Heterogenität der Daten ausgegangen werden, auch bei im Test tiefer Heterogenität. Somit sollte grundsätzlich das Fixed-Effect Model mit Vorsicht eingesetzt werden.
Einleitung
Die Anastomoseninsuffizienz (AI) stellt eine der wichtigsten Komplikationen in der kolorektalen Chirurgie dar und tritt je nach Operation und Risikofaktoren in 1–19% der Fälle auf. Die AI ist zudem mit einer relevanten Mortalitätsrate von bis zu 18% vergesellschaftet.(1) Das individuelle Risiko einer AI setzt sich aus patientenspezifischen-, intra- und postoperativen Risikofaktoren zusammen. Patientenspezifische Risikofaktoren sind beispielsweise männliches Geschlecht, Adipositas, ein eingeschränkter Ernährungsstatus oder das Rauchen.(2) Intraoperativ erhöht sich das Risiko bei einer Minderperfusion der Anastomose, bei hohem intraoperativem Blutverlust, Spannung auf der Anastomose oder bei langer Operationszeit.(3)
Um die Gewebeperfusion intraoperativ zu kontrollieren, stehen verschiedene Techniken zur Verfügung. Bei der Fluoreszenzangiografie mit Indocyaningrün (ICG-FA) erfolgt die intravenöse Gabe des fluoreszierenden Kontrastmittels ICG, das Absorptionsspektrum von ICG liegt im unmittelbaren Bereich von Infrarot, was wiederum mit einer speziellen Kamera erfasst wird. Als weitere Methode quantifiziert die Laser Speckle Kontrast Analyse (LSKA) den Blutfluss anhand von emittiertem und reflektiertem Licht mithilfe einer CCD-Kamera (= Charged Coupled Device) ohne Gabe eines Kontrastmittels. Ein CCD-Sensor besteht aus Fotodioden, die durch den photoelektrischen Effekt und mit der einfallenden Energie des Lichts ein Abbild der Perfusion erzeugen. Dabei entstehen freie, negativ geladene Elektronen und dazwischen positiv geladene «Löcher», wodurch sich ein sogenanntes Speckle-Muster ergibt. Dieses Muster ändert sich bei dynamischen Prozessen, wie z. B. bei Blutfluss, stets. Bei der in letzter Zeit häufig diskutierten Hyperspektralbildgebung (HSI) werden anhand verschiedener Wellenlängen Unterschiede der Oxygenation im Gewebe sichtbar gemacht. Schliesslich wurde noch die diffuse Reflexionsspektroskopie (DRS) untersucht. Dabei wird das reflektierte Licht einer bestimmten Wellenlänge detektiert, anhand dessen wiederum Rückschlüsse zur Gewebe-Oxygenierung gezogen werden können.
Ziel dieser Meta-Analyse war, den Einfluss der verschiedenen Methoden auf die AI-Rate zu untersuchen. Studien zwischen 2001 und 2022 in englischer Sprache wurden berücksichtigt.
Methoden
In dieses systematische Review mit Meta-Analyse wurden randomisiert kontrollierte Studien und Vergleichsstudien eingeschlossen, welche über ein intraoperatives Assessement der Perfusion sowie eine Angabe über die AI-Rate berichten. Das intraoperative Assessment wurde dabei mit den unterschiedlichen, oben beschriebenen vier Methoden (ICG-FA, LSKA, HSI, DRS) durchgeführt. Dabei wurden nur elektive laparoskopische und offene Operationen am Kolon und Rektum eingeschlossen. Der primäre Endpunkt war die Rate an AI in Proportion zu allen erfassten Patienten. Diese Proportionen wurden anschliessend zur Abschätzung des Effekts mit den dazugehörigen Konfidenzintervallen (CI) angegeben. Als sekundäre Endpunkte wurden die Rate der Anastomosenneuanlagen untersucht. Die statistische Auswertung der Meta-Analyse erfolgte mittels Random Effekt Modell (siehe Info-Box). Die Qualität der einzelnen eingeschlossenen Studien wurde mittels MINORS Score beurteilt.
Resultate
Von 2’703 gescreenten Studien wurden schliesslich 66 Studien mit 11’560 Patienten eingeschlossen. In 52 Studien mit 10’789 Patienten wurde die ICG-FA untersucht, gefolgt von 6 Studien zu DRS (n=321), 5 Studien zu HSI (n=265) und schliesslich 3 Studien zu LSCI (n=185).
Beim primären Endpunkt, der AI Rate, zeigte sich eine signifikante Reduktion bei Patienten mit versus ohne Perfusionsmessung (7.4% vs. 12.4%). DRS und ICG-FA zeigten dabei eine ähnliche Rate an benötigten Anastomosen-Neuanlagen (9.4% und 10.7%). Bei den übrigen Methoden fehlten die Daten hierzu. Es wurde auch untersucht, inwiefern eine Perfusionsmessung intraoperativ die Operationsdauer verlängert. Bei der Anwendung von ICG-FA war die Operationsdauer in 21 Studien bei der Perfusionsmessung im Durchschnitt 5 min länger. Nur eine Studie untersuchte den zeitlichen Aspekt der LSCI und es wurde einer Verlängerung der Operationszeit um 56 min gefunden. Die Rate an Reoperationen wurde ebenso berichtet: 14% in der DRS-Gruppe (2 Studien), 0% in der LSCI-Gruppe (2 Studien) und 4% in der ICG-FA-Gruppe (28 Studien). Für HSI und die Kontrollgruppe ohne Perfusionsmessung liegen keine Daten vor.
Über alle Methoden hinweg zeigte sich in der Meta-Analyse im Random Effects Model ein reduziertes Risiko von 0.06 (95% CI 0.05-0.07) für eine AI verglichen mit der Kontrollgruppe, welche ein Risiko von 0.10 (95% CI 0.08-0.12) hat. Jedoch bei signifikanter Heterogenität bei beiden Populationen (I2 69% und I2 80%). Entsprechende AI-Risiko-Werte wurden auch für die einzelnen Modalitäten erfasst: ICG-FA 0.05 (95% CI 0.04-0.06), DRS 0.14 (95% CI 0.08-0.24), HSI 0.08 (95% CI 0.04-0.16), LSCI 0.06 (95% CI 0.02-0.19).
Diskussion
Die vorliegende Meta-Analyse zeigt auf, dass die intraoperative Beurteilung der Perfusion vor einer kolorektalen Anastomose die AI Rate mit den unterschiedlichen Modalitäten zu senken vermag. Den grössten Effekt zeigte die gleichzeitig mit Abstand am häufigsten angewendete ICG-FA (AI Risiko ICG-FA 0.05 vs. Kontrollgruppe 0.10), wobei als Nachteil gegenüber den übrigen untersuchten Modalitäten der Farbstoff ICG intravenös verabreicht werden muss. Allerdings ist die Verwendung von ICG äusserst sicher. In der Literatur finden sich letale Dosen von 50–80 mg/kg, in der klinischen Anwendung befinden wir uns dabei in einem Bereich um die 2 mg/kg. Des Weiteren sind 98% des injizierten ICG an Plasmaproteine gebunden und werden innerhalb kurzer Zeit via Galle wieder ausgeschieden.(4) Bei einer bekannten Iod-Allergie ist Vorsicht geboten, ansonsten sind allergische Reaktionen in 1:42'000 bis 1:60'000 beschrieben.(5) Demgegenüber steht der Vorteil von ICG-FA in der einfachen Applikation und guten minimal-invasiven Anwendbarkeit, da kein Kontakt mit dem zu untersuchenden Gewebe nötig ist. Aktuell ist nur eine subjektive, nicht quantitative, jedoch verzögerungsfreie Beurteilung der Durchblutung mit ICG-FA möglich. An einer quantitativen Beurteilung durch ICG-FA wird extensiv geforscht. Einzelne Arbeiten zeigten auf, dass eine quantitative Beurteilung aufgrund verschiedener Parameter, z. b. maximale Intensität oder Zeitpunkt von Injektion bis zur maximalen Intensität möglich ist.(6, 7)
Im Gegensatz dazu erlauben DRS und HSI eine quantitative, objektive Perfusionsmessung mit dem Nachteil, dass bei beiden Methoden ein direkter Gewebekontakt notwendig ist. Zudem kann mit der DRS im Unterschied zu den anderen Methoden nur ein kleiner Gewebeausschnitt beurteilt werden. Dies wird hier als mögliche Begründung angegeben, dass die DRS die Rate von AI nicht im selben Ausmass wie die anderen drei Methoden zu senken vermag.
Für die Beurteilung der unterschiedlichen Methoden wurden die Ergebnisse aus dem Random Effects Modell beachtet, insbesondere aufgrund der grossen Heterogenität innerhalb der Gruppen. Zu dieser Heterogenität steuerten die verschiedenen Studiendesigns unterschiedliche Definitionen der AI und unterschiedliche chirurgische Techniken in den ausgewerteten Studien bei. Eingeschlossen wurden nur drei randomisierte Studien, in der Mehrzahl retrospektive Fallkontroll-Studien und Interventionsstudien ohne Kontrollgruppe. Zudem wurde die AI in den eingeschlossenen Studien sehr heterogen definiert. Diverse Studien nutzten die Definition der International Study Group on Rectal Cancer(8), andere definierten die AI anhand der Komplikationsgradierung nach Dindo-Clavien.(9) Ausserdem fehlte in 26 Studien eine exakte Definition einer AI sogar gänzlich.
Eine weitere Limitation der Studie stellt der nicht vorhandene Konsensus bezüglich der Applikationsdauer und –menge von ICG dar. Die Autoren schlagen die Entwicklung eines arbiträren Cut-off-Wertes vor, um zumindest diesbezüglich eine Standardisierung zu erhalten. Ebenso fehlen Referenzwerte für die Sättigung von gesundem Kolongewebe respektive der Veränderung vor und nach Anlegen der Anastomose. Es besteht für keine der erwähnten Methoden ein standardisiertes und validiertes Anwendungsprotokoll. Eine Rolle spielt sicherlich, dass es sich ausser bei ICG-FA um relativ neue Anwendungen mit unterschiedlichen kommerziellen Anbietern handelt. Ein validiertes Anwendungsverfahren mit dementsprechend auch objektiven Messpunkten oder Cut-offs ist in Zukunft wünschenswert und notwendig, um Ergebnisse international vergleichbar zu machen.
Eine relevante Limitation besteht durch die übermässige Vertretung von Fällen, die durch ICG-FA untersucht wurden. Dabei wird das Ergebnis durch die geringe Power der anderen drei Modalitäten zum Mittelwert von ICG-FA verzerrt.
Anhand dieses Reviews kann man schlussfolgern, dass die Anwendung von ICG-FA in der Kolonchirurgie die Rate von AI senken kann. Diese Schlussfolgerung ist im Einklang mit bisherigen Publikationen.(10, 11) Interessant wird die Entwicklung, wenn für die neueren Technologien DRS, LSCI und HSI mehr klinische Erfahrung zur Verfügung steht. Mittels aktueller Operationsroboter ist vor allem die Verwendung von ICG bereits routinemässig in den Operationsablauf integriert, es wird sich zeigen, ob die alternativen Methoden ebenso simpel integriert werden können. Insbesondere zeitintensive Anwendungen mit direktem Gewebekontakt werden eher einen schweren Stand haben, sich kostenneutral im Zeitalter der minimal invasiven Chirurgie zu etablieren. Bisher konnte erst gezeigt werden, dass die Routineanwendung von ICG-FA auch in konservativ berechneten Szenarien kosteneffizient sein kann.(12, 13)
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