Seit der Einführung der perkutanen, minimal-invasiven therapeutischen Interventionen hat die Anzahl dieser Eingriffe in der Gefässchirurgie rasant zugenommen. Somit haben die Gefässchirurgen zusätzlich zur behandelnden Rolle die Funktion des Supervisors für Strahlenexposition bekommen. Die Supervisor-Rolle der Gefässchirurgen beinhaltet gleichzeitig, die Qualität der Behandlung zu gewährleisten sowie während des Eingriffes für die Sicherheit des Patienten und des behandelnden OP-Personals Sorge zu tragen. Diese neue Funktion hat mit der Einführung der komplexen endovaskulären Eingriffen der Aorta noch mehr Bedeutung bekommen.
Unterschiedliche aortale Pathologien vom Aortenbogen bis zur Aortenbifurkation können nun mit massgeschneiderten oder standardisierten fenestrierten (FEVAR) oder gebranchten (BEVAR) Prothesen über perkutane Zugänge in den Leisten oder vom Arm aus behandelt werden. Dadurch kann den Patienten das erhebliche chirurgische Trauma, welches durch die grossen Zugangsinzisionen entsteht, erspart werden. Diese schonende Behandlung hat eine geringere Belastung der Intensivstationsbetten, einen kürzeren Spitalaufenthalt und die frühere Integration des Patienten in den Alltag zur Folge. Mit der Zunahme der Eingriffskomplexität hat allerdings auch die Strahlenexposition im Operationssaal zugenommen.
Mehr Sicherheit
Die kürzlich publizierten Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Gefässchirurgie (ESVS) über die Sicherheit während Strahlenexposition haben ausführliche Empfehlungen umschrieben, wie man das Risiko der Strahlenexposition für Patienten und Behandelnde minimieren soll.1 Neben den bekannten ALARA (as low as reasonably achievable)-Prinzipien, wie low-dose-Modus der Anlage, Puls- vs. kontinuierlicher Modus, Optimierung der Systemgeometrie, Fusion Imaging usw., werden neue Technologien empfohlen. Eine von diesen ist die sogenannte FORS (Fiber Optic Real Shape)-Technologie von Philips Medical Systems (Nederland BV, Best, The Netherlands).
FORS basiert auf der Lichtreflexion. Dies hilft, eine reale dreidimensionale Rekonstruktion der Katheter- und Drahtposition im Raum abzubilden. In den speziell konstruierten Drähten und Kathetern sind multiple optische Fasern eingebettet (Bild 1), welche unterschiedliche Wellen reflektieren, je nachdem wie der Draht oder der Katheter manipuliert wird. Diese Bewegungen werden danach durch einen potenten Prozessor bearbeitet und als dreidimensionales Bild auf dem Monitor ohne Röntgendurchleuchtung dargestellt. Somit kann die Bewegung des Drahtes und des Katheters in Echtzeit im menschlichen Körper ohne Röntgendurchleuchtung verfolgt werden.
Durch ein sogenanntes Fusion Imaging, also eine Bildfusion mit der präoperativen CT- oder intraoperativen Angiographie, müssen die anatomischen Merkmale der Patienten als Roadmap markiert werden. Mit dem FORS-System kann sich der behandelnde Arzt biplanar im Körper orientieren (Bild 2). Momentan ist FORS nur in den vereinzelten Hybrid-Sälen in Europa und den USA einsetzbar und wird primär eher als Ergänzung statt als kompletter Ersatz der Durchleuchtung angewendet. Die ersten Erfahrungen wurden bei EVAR- und peripheren Interventionen gesammelt.2 Die grösste europäische Studie mit 50 Fällen zeigte eine relativ tiefe technische Erfolgsrate von 60% bei der Katheterisierung von Viszeralarterien, konnte aber insgesamt eine Strahlungsdosisreduktion von 65% erreichen.3
Operationszeit wird kürzer
Eine klare Ursache für die tiefere Erfolgsrate ist die begrenzte Anzahl der zur Verfügung stehenden FORS-Drähte und Katheter, neben den klaren anatomischen Limitationen wie Abgangsstenosen, steile Gefässabgänge oder relevante Verkalkungen der Zielarterien.3 Diese anatomischen Limitationen waren ebenso verantwortlich für die z. T. erfolglosen Versuche in der grössten amerikanische Studie, die Zielarterien mit dem FORS-System zu katheterisieren.4 Schlussendlich konnte aber auch hier eine signifikante Reduktion der Operationszeit, Durchleuchtungszeit sowie des Dosis Area-Produkts und des gesamten Luftkermas erreicht werden.4
Die Anwendung des FORS-Systems hängt von den Eigenschaften des bestehenden Durchleuchtungssystems im Hybrid-Saal und der Bereitschaft der involvierten Parteien, eine Zusammenarbeit zu initiieren, ab. Kein Zentrum in der Schweiz ist im FORS-Programm bis dato eingeschlossen. Die Verwendung des FORS-Systems in der alltäglichen Arbeit wird nicht vom DRG rückvergütet und ist aktuell mit einer relevanten Kostenerhöhung für den Anwender verbunden. Auf Dauer kann aber ein solches System zu einer wesentlichen Reduktion der gesamten Strahlenexposition führen. Durch die kürzeren Operations- und Durchleuchtungszeiten werden die Patienten profitieren, was wiederrum die Diskussion um eine partielle Übernahme der Kosten seitens der Krankenversicherung stärkt.
Fazit:
FORS ist eine weitere interessante technische Entwicklung mit dem Ziel, die Strahlenexposition am Arbeitsplatz der Gefässchirurgie zu reduzieren. FORS eröffnet ganz neue Perspektiven in der endovaskulären Navigation, indem man ohne Röntgendurchleuchtung eine dynamische Visibilität von Draht und Katheter im menschlichen Körper bekommt. Es wird sich hoffentlich in der Zukunft in die stets wachsende Reihe der Strahlenschutzmassnahmen eingliedern.
- Modarai B et al. European Society for Vascular Surgery (ESVS) 2023 Clinical Practice Guidelines on Radiation Safety. Eur J Vasc Endovasc Surg 2023; 65: 171-222
- van Herwaarden JA et al. First in human clinical feasibility study of endovascular navigation with fiber optic RealShape (FORS) technology. Eur J Vasc Endovasc Surg 2021;61:317-25
- Panuccio G et al. Endovascular navigation with fiber optic Real-Shape technology. J Vasc Surg 2023;77:3-8.
- Finnesgard EJ et al. Initial single-center experience using Fiber Optic RealShape guidance in complex endovascular aortic repair. J Vasc Surg 2023 Apr; 77: 975-981