Die Regressionsanalyse ist ein statistisches Verfahren zur Modellierung von Beziehungen zwischen zwei oder mehreren unterschiedlichen Variablen. Mit der Regressionsanalyse können Zusammenhänge zwischen Daten geschätzt werden. Zudem lassen sich mit Regressionsanalysen auch Vorhersagen treffen. Regressionsanalysen werden häufig aber nicht nur multivariat verwendet. Zusammengefasst können sie einerseits für Schätzungen (von Zusammenhängen) und andererseits für Vorhersagen angewendet werden.
Hintergrund
Die akute Pankreatitis (AP) wird in rund 50% der Fälle durch Gallensteine oder Sludge ausgelöst. Obwohl 80% aller AP milde und selbstlimitierend sind, kann die Entzündung zu einer schweren akuten Pankreatitis mit einer Mortalität von bis zu 20-40% fortschreiten. Zudem hat die akute biliäre Pankreatitis (ABP) mit bis zu 30% ein relevantes Rezidivrisiko, weshalb die frühzeitige Cholezystektomie zur Verhinderung von Rezidiven empfohlen wird.
Allerdings ist der ideale Zeitpunkt der Cholezystektomie bei Patienten nach mässig schwerer und schwerer ABP unklar, bisherige Daten sind limitiert durch ein retrospektives Studiendesign und die geringe Fallzahl eingeschlossener Patienten. Ziel dieser internationalen Studie war, die Ergebnisse der frühzeitigen Cholezystektomie (F-CE) bei Patienten mit mäßig schwerer und schwerer ABP zu analysieren.
Methoden
Studiendesign
Für diese Kohortenstudie wurden die Ergebnisse aus dem prospektiven MANCTRA-1 Datensatz (= Einhaltung evidenzbasierter klinischer Leitlinien bei der Behandlung der ABP) retrospektiv analysiert. Der Datensatz beinhaltet Daten aus 42 Ländern aus Asien, Europa, Afrika, Südamerika und Ozeanien von konsekutiven Patienten, die zwischen 1. Januar 2019 und 31. Dezember 2020 aufgrund einer AP eine Cholezystektomie erhielten. Ausgeschlossen wurden folgende Patientengruppen: Patienten unter 16 Jahren, AP mit anderer Ursache als Gallensteine/Sludge, chronische Pankreatitis, Patientinnen in der Schwangerschaft oder Stillzeit. Zudem wurden Patienten mit residuellem Gallengangstein nach Cholezystektomie ausgeschlossen.
Definitionen
Die Einteilung in milde, mässig schwere und schwere ABP wurde anhand der revidierten Atlanta-Klassifikation vorgenommen.1 F-CE wurde definiert als Cholezystektomie innerhalb von 14 Tagen nach Spital-Aufnahme. Verzögerte Cholezystektomie (V-CE) wurde definiert als Cholezystektomie später als 14 Tage nach Spital-Aufnahme.
Statistische Analyse
Es wurden univariate und multivariate logistische Regressionsmodelle verwendet, um prognostische Faktoren für Mortalität und Morbidität zu identifizieren.
Ergebnisse
Von 5‘304 konsekutiven Patienten, die für eine ABP hospitalisiert wurden, erhielten 3‘696 Patienten (mittleres Alter 58,5 Jahre; 51,5% weiblich) eine Cholezystektomie. Davon wurde bei 1‘202 (32,5%) eine F-CE und 2‘494 (67,5%) eine V-CE durchgeführt.
Frühe vs. verzögerte Cholezystektomie bei akuter biliärer Pankreatitis
Die Patienten in der F-CE-Gruppe waren jünger (mittleres Alter 57 vs. 60 Jahre, p< 0.001) und hatten mehr ischämische Herzerkrankungen in der Vorgeschichte (11.9% vs. 8.4%; p<0.001). Sie hatten häufiger eine ERCP (27.3% vs. 20.7%; p<0.001), mehr Pankreatitis-assoziierte Komplikationen mit chirurgischem Interventionsbedarf (1.9% vs. 0.6%; p<0.001) und häufiger chirurgische Nekrosektomien (2.2% vs. 0.8%; p<0.001). Gleichzeitig wies die F-CE-Gruppe eine höhere postoperative Morbidität (7,7% vs. 3,7%; p< 0.001), schwere Komplikationen (1.3% vs. 0.4%; p< 0.001) und auch Mortalität (1,4% vs. 0,1%; p< 0.001) im Vergleich zur V-CE-Gruppe auf. In der multivariaten Analyse waren zwei Faktoren sowohl mit erhöhten Komplikationen als auch mit erhöhter Mortalität bei F-CE vergesellschaftet: Mässig schwere/schwere ABP ((Morbidität: OR 2.64 (1.35-5.19); Mortalität: OR 361 (2.28-57‘212)) und Komplikationen der Pankreatitis mit chirurgischem Interventionsbedarf ((Morbidität: OR 6.77 (1.74-26.36); Mortalität: OR 646 (5.55-75‘261)).
Frühe Cholezystektomie: milde vs. mässig schwere/schwere akute biliäre Pankreatitis
Die frühe Cholezystektomie wurde bei 108 Patienten mit mässig schwerer/schwerer ABP durchgeführt. Die Patienten mit milder ABP (n=1‘094) waren jünger (57 vs. 64 Jahre; p< 0.001) und hatten weniger Komorbiditäten (Charlson Comorbidity Index: 2 vs. 3.5; p< 0.001). Im Vergleich zu Patienten mit milder ABP hatten solche mit mässig schwerer/schwerer ABP eine erhöhte Morbidität (30.3% vs. 5.5%; p< 0.001), mehr schwere Komplikationen (11.0% vs. 0.7%), Galleleckagen (2.4% vs. 0.4%; p=0.02) und eine erhöhte Mortalität (15.6% vs. 0%; p< 0.001).
Frühe vs. verzögerte Cholezystektomie bei mässig schwerer/schwerer akuten biliären Pankreatitis
Die Ergebnisse der 108 Patienten in der F-CE-Gruppe mit mässig schwerer/schwerer ABP wurde mit 270 Patienten mit mässig schwerer/schwerer ABP der V-CE-Gruppe verglichen. Patienten in der F-CE-Gruppe hatten mehr Komorbiditäten (Charlson Comorbidity Index: 3.5 vs. 3). Die F-CE war mit höherer Morbidität (30,3% vs. 10,3%) und Mortalität (15,6% vs. 1,2%) sowie mit mehr schweren Komplikationen (11.0% vs. 1.9%) und vor allem infektiösen Komplikationen (14.6% vs. 1.3%) vergesellschaftet.
In der multivariaten Analyse waren das Alter des Patienten ((OR 1.12; (1.02-1.36)), der ASA Score ((OR 5.91 (1.06-32.78)) und Komplikationen der Pankreatitis mit chirurgischem Interventionsbedarf ((OR 50.04 (2.37-1‘058)) mit erhöhter Mortalität bei F-CE assoziiert.
Diskussion
Während bei milder Pankreatitis aktuelle Leitlinien eine frühe Cholezystektomie empfehlen, ist die Frage nach dem idealen Operationszeitpunkt bei der mässig schweren und schweren akuten biliären Pankreatitis nicht geklärt. Allerdings wiesen die Autoren anhand des MANCTRA-1-Kollektivs nach, dass die F-CE bei mässig schwerer/schwerer ABP mit deutlich erhöhten Komplikationen und Mortalität assoziiert sein könnte. Die Analyse ergab eine Mortalitätsrate von 15,6 % und eine Morbiditätsrate von 30,3 % bei Patienten mit mittelschwerer und schwerer ABP, die sich einer F-EC unterzogen. Als relevante Risikofaktoren für Komplikationen bei Patienten mit mässig schwerer/schwerer ABP und F-CE zeigten sich dabei das Alter, der ASA-Score und Komplikationen der Pankreatitis mit chirurgischem Interventionsbedarf.
Allgemein wird das Risiko einer erneuten Pankreatitis-Episode grösser, je länger man bei Patienten mit ABP mit der Cholezystektomie wartet. Eine prospektive niederländische Studie hat sich mit der Frage des idealen Timings der Cholezystektomie bei Patienten mit nekrotisierender ABP beschäftigt. Bei rund einem Drittel kam es noch vor der Cholezystektomie zu einem erneuten biliären Event (Pankreatitis, Cholezystitis, Cholangitis). Das Risiko einer erneuten Pankreatitis war deutlich geringer, wenn innerhalb von acht Wochen nach Entlassung die Cholezystektomie durchgeführt wurde (Risk Ratio: 0.14). Die chirurgische Komplikationsrate wurde in dieser Studie bei verzögerter Cholezystektomie nicht vermindert. Dementsprechend wird aufgrund dieser prospektiven Studie bei Patienten mit nekrotisierender ABP ohne peripankreatische Kollektionen eine Cholezystektomie innerhalb von acht Wochen nach Entlassung empfohlen.2
Tatsächlich ist die hier vorgestellte Studie die grösste, die zeigt, dass eine frühe Cholezystektomie bei mittelschwerer und schwerer ABP mit einer erhöhten Sterblichkeit und Morbidität verbunden ist. Zudem zeigt die Studie auch Faktoren auf, die in dieser Untergruppe von Patienten mit nachteiligen Ergebnissen in Verbindung gebracht werden. Das Vorhandensein schwerer Komplikationen der ABP, die einen chirurgischen Eingriff erfordern, wie z. B. ein abdominales Kompartmentsyndrom, eine Darmischämie und eine Darmfistel, war unabhängig mit einer erhöhten postoperativen Morbidität und Mortalität nach der F-EC verbunden. Zudem waren höheres Alter und ASA Score signifikant mit einer erhöhten postoperativen Mortalität verbunden.
Als Limitation ist auch bei dieser grossen Studie das retrospektive Design und der damit verbundene Selection Bias zu nennen. Ausserdem hatten die Initiatoren der MANCTRA-1-Studie die hier erfolgte Analyse weder in den primären noch sekundären Endpunkten geplant. Patienten mit mässig schwerer/schwerer Pankreatitis zeigten im Vergleich zu den Kontrollgruppen häufiger relevante Komorbiditäten; Alkoholabusus wurde dabei nicht analysiert. Wie viele der frühen Cholezystektomien während einer Nekrosektomie durchgeführt wurden, ist ebenfalls nicht erhoben worden.
Zukünftige Studien sollten den Zeitpunkt der Cholezystektomie in vergleichbaren Gruppen untersuchen. Insbesondere muss differenziert werden, ob die Cholezystektomie simultan während einer Nekrosektomie oder unabhängig von zusätzlichen Eingriffen durchgeführt wurde.
Auf der Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse sollte man jedoch bedenken, dass ältere und schwächere Patienten mit schweren Komplikationen bei mittelschwerer/schwerer ABP sowie Patienten ohne Gallengangs-Clearance ein deutlich höheres Risiko für schwere Komplikationen nach F-EC haben.
- Banks PA, Bollen TL, Dervenis C, et al. Classification of acute pancreatitis--2012: revision of the Atlanta classification and definitions by international consensus. Gut. 2013;62(1):102-111. doi:10.1136/gutjnl-2012-302779
- Hallensleben ND, Timmerhuis HC, Hollemans RA, et al. Optimal timing of cholecystectomy after necrotising biliary pancreatitis. Gut. 2022;71(5):974-982. doi:10.1136/gutjnl-2021-324239