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Education

Das Core Surgical Curriculum: die neue chirurgische Basisweiterbildung

Das neu gestaltete Core Surgical Curriculum (CSC) ermöglicht eine strukturierte, auf Kompetenzen ausgerichtete Weiterbildung in den ersten zwei Jahren Chirurgie. Das CSC umfasst drei Teile und wird mit einem Zertifikat abgeschlossen, das einige chirurgische Fachgebiete anstelle des Basisexamens für die Zulassung zur Facharztprüfung anerkennen.

In der Schweiz werden seit 2021 die Weiterbildungscurricula aller Fachbereiche in Richtung einer kompetenzbasierten Medizin umgebaut [1|. Seit 2017 werden Studierende der Medizin an Schweizer Universitäten ebenfalls in diesem Kontext unterrichtet (https://www.profilesmed.ch). Die ersten mit Entrustable Professional Acitivities (EPAs) vertrauten Absolvierenden werden Ende 2024 ihre klinische Tätigkeit aufnehmen. Das neu konzipierte Curriculum für die chirurgische Basisweiterbildung in den ersten zwei Jahren wurde in der Schweizerischen Ärztezeitung 2023 im Detail beschrieben [2]. Zwischenzeitlich wurde dieses "Core Surgical Curriculum" (CSC) in die Weiterbildungsprogramme der im Swiss College of Surgeons (SCS) organisierten Basisorganisationen aufgenommen und kann nun mit einem Zertifikat abgeschlossen werden. Dieses wird vom SCS erstellt und vom Schweizerischen Institut für Weiter- und Fortbildung (SIWF) anerkannt. Im Folgenden werden die Modalitäten des Core Surgical Curriculums aufgezeigt und Hinweise zur Einführung in den Weiterbildungsstätten gegeben.

Die chirurgische Basisweiterbildung

Die Weiterbildung für den Facharzt dauert aktuell in der Schweiz sechs Jahre und beinhaltet sowohl fachspezifische wie auch fachfremde Weiterbildungsjahre, die an verschiedenen Weiterbildungsstätten (WBS) absolviert werden können. Die allgemeine Weiterbildungs-Ordnung (WBO) gibt vor, dass während der Weiterbildung auch allgemeine Lernziele vermittelt werden. Das CSC beinhaltet nebst chirurgischen Basismodulen auch Elemente der allgemeinen Lernziele der ersten zwei Jahre nicht-fachspezifischer Weiterbildung. Alle im SCS organisierten Fachgesellschaften (Chirurgie, Gefässchirurgie, Handchirurgie, Kinderchirurgie und Thoraxchirurgie) bieten das CSC an und erkennen gegenseitig diese Weiterbildungsjahre an. Dies gibt angehenden Chirurg:innen mehr Spielraum in der Wahl der WBS der ersten zwei Jahren. Hat eine Absolvent:in des Eidgenössischen Examens in Humanmedizin sich bereits definitiv für einen Fachbereich entschieden, können je nach Vorgabe der Fachgesellschaften bereits zu Beginn ein oder zwei Jahre in diesem Fachgebiet absolviert und an die chirurgische Basisweiterbildungsjahre angerechnet werden.

Das Absolvieren des klar strukturierten CSC gibt also einerseits mehr Flexibilität und erlaubt andererseits auch eine frühere Fokussierung. Ab 2024 kann ein Trainee entscheiden, entweder wie bisher das Basisexamen abzulegen oder alternativ das vom SIWF anerkannte CSC-Zertifikat zu erlangen. Das eine oder andere bleibt Voraussetzung für die Zulassung zur Facharztprüfung. Diese Regelung ist eine Übergangsphase, da das Basisexamen (Examen mit Multiple Choice-Fragen) mittelfristig in ein «CSC Assessment» umgestaltet wird.

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Abb 1: Weiterbildungsweg zu einem chirurgischen Facharzt von im SCS organisierten Basisorganisationen

Inhalte des Core Surgical Curriculums (CSC)

Die Lernumgebung für das CSC umfasst drei Bereiche ( Abb.2):

1.    E - Learning

Absolvierende des CSC können begleitend zur klinischen Tätigkeit e-Learning-Module durcharbeiten, welche theoretische Grundlagen und Fallbeispiele enthalten.

Mittels Kontrollfragen kann am Ende eines jeden Moduls das Gelernte überprüft werden.

Aktuell stehen 45 Themen in vier Klassen zur Verfügung:

Klasse 1: Basismedizin und Wunden, z.B. Flüssigkeitsmanagement, Blutverdünnung, usw.

Klasse 2: Kenntnisse in Basischirurgie, z.B. Verhalten bei Blutungen, Kenntnisse von chirurg. Instrumenten usw.

Klasse 3: allg. medizinische Themen, z.B. Schock resp. Insuffizienz usw.  

Klasse 4: spezialisierte Chirurgie, z.B. Verbrennungen, Palliativbetreuung usw.

2.    Hands-on-Trainings

Vom SCS werden im Vorfeld des Jahreskongresses hands-on-Trainingskurse angeboten, welche auf die Bedürfnisse von Berufseinsteiger:innen zugeschnitten sind. Dafür gibt es Credits, welche ins Learning Management System (LMS) hochgeladen werden müssen.

3.    Klinikinterne Weiterbildung und EPAs

Für diesen Bereich haben die Spitäler ihren grossen Anteil zur Weiterbildung zu leisten. Das können einerseits Angebote von idealerweise fächerübergreifenden Lehr-Veranstaltungen sein zu Theorie und Praxis im Themenkreis der allgemeinen Lernziele und des chirurgischen Basiswissens. Andererseits führen chirurgische Weiterbildner:innen (Oberärzt:innen, Leitende Ärzt:innen) gezielte Supervisionen mit Evaluationen und Arbeitsplatz-basierten Assessments junger Kolleg:innen, z.B. unter Verwendung von Entrustable Professional Activities (EPAs), durch. Auf diese wird in einem gesonderten Abschnitt noch eingegangen.

Über die Homepage (https://swisscollegeofsurgeons.ch/weiterbildung/core-surgical-curriculum) können sich Assistenzärzt:innen zur Absolvierung des CSC anmelden. Die CSC-Plattform (LMS) ermöglicht den Zugang zu den e-Learning-Modulen. Sie dient der Dokumentation von absolvierten Kursen und erlaubt am Schluss, auf einfache Art und Weise das CSC-Zertifikat zu beantragen. Wer sich als Juniormitglied beim SCS registriert, erhält eine Kostenreduktion für den Zugang zur Lernplattform und zum SCS-Jahreskongress.

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Abb. 2. die drei Weiterbildungssäulen des CSC

Die Verwendung von EPAs

Das Konzept der kompetenzbasierten Medizin fokussiert weniger auf Operationszahlen, sondern vielmehr auf das Erreichen von Kompetenzstufen [3]. Ziel ist ein möglichst eigenständiges Arbeiten in klinischen Situationen, welches von den Weiterbildner:innen attestiert werden muss.

Mit den "Entrustable Professional Activities" werden klinische Tätigkeiten operationalisiert. Dabei spielen neben dem Fachwissen vor allem auch Fähigkeiten, Fertigkeiten und die professionelle, moralisch-ethische Haltung der Ärzt:innen eine Rolle. Im CSC sind 21 EPAs aufgeführt, welche den allgemeinen Tätigkeiten im chirurgischen Alltag entsprechen (Abb.3). Spezielle fachspezifische EPAs werden zurzeit durch die Fachgesellschaften erarbeitet.

Im klinischen Alltag sollen möglichst viele kurze arbeitsplatzbasierte Assessments (AbAs) mit verschiedenen Supervisor:innen durchgeführt werden, um für die Kandidat:innen eine möglichst breite/heterogene Evaluation zu gewährleisten.

Die auf die Assessments folgenden Feedback-Gespräche helfen, Vertrauen zu schaffen und Zielvorgaben gemeinsam zu erarbeiten. Diese Form der Feedback- Kultur unterstützt eine positive Fehlerkultur und führt dadurch zu einer Verbesserung der Patientensicherheit. Durch die häufigen Beurteilungen können longitudinale Lernfortschritte transparenter aufgezeigt werden und dienen bei Standort-Bestimmungen durch ein Gremium von Weiterbildungsverantwortlichen (Clinical Competency Committee) als objektive Diskussionsgrundlage.

Abb. 4 zeigt exemplarisch ein solches Mapping von EPAs verschiedenen Levels von 1 bis 5. Gegen Schluss der Weiterbildung sind dann verbindliche, vordefinierte Niveaus zu erreichen, welche Voraussetzung zur Zertifizierung sind. Dabei müssen für die Erfüllung des CSC jeweils drei arbeitsplatzbasierte Assessments pro EPA auf einem definierten Level von drei verschiedenen Supervisor:innen attestiert werden.

Zur Dokumentation der durchgeführten AbAs steht eine App zur Verfügung. Alle EPAs, inklusive der spezifischen Anforderungen, sind dort hinterlegt. Das SIWF hat sich für die App von PrecisionED (https://www.prepared.app) und diejenige von Reallience (http://www.reallience.ch) entschieden, um die durchgeführten EPAs zu dokumentieren.  

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Abb.3: Einbettung der CSC-EPAs in die Aus- und Weiterbildung. Die 21 EPAs des CSC decken wichtige Aufgaben in der chirurgischen Versorgung von Patient:innen ab.

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Abb. 4: schematische Darstellung eines EPAs Mappings mittels longitudinaler Visualisierung der Lernfortschritte und geplanter Standortgespräche durch das Weiterbildungsgremium (Clinical Competency Committee)

Inhalte des Reglementes für das CSC-Zertifikat

Seit dem 1.6.2024 ist das Reglement für das CSC-Zertifikat in Kraft. Es regelt, welche Vorgaben erfüllt sein müssen, um das Zertifikat zu erhalten. In Tabelle 1 sind die Schlüsselpunkte aufgelistet und mehr Informationen sind unter https://swisscollegeofsurgeons.ch/assets/main/csc/240427_reglement-csc.pdf zu finden.

Wer alle Punkte des Reglements erfüllt hat, kann bei der Geschäftsstelle des SCS die Ausstellung des CSC-Zertifikates beantragen.

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Tabelle 1. Inhalt des Reglementes. *Das Assessment wird in den nächsten drei Jahren durch den Verein Basisexamen erarbeitet und wird aktuell noch nicht eingefordert.

Ausblick und weiterer Kurse

Das neu geschaffene CSC ist zu einem wichtigen Zeitpunkt realisiert worden. Heutige Absolvent:innen des Eidgenössischen Examens in Humanmedizin, die mit den Konzepten der kompetenzbasierten Medizin seit ihrem Studium vertraut sind, können nahtlos ihre ersten zwei chirurgischen Weiterbildungsjahre kompetenzbasiert fortsetzen. Bis zum Ende der chirurgischen Grundausbildung sollten die EPAs ebenfalls in den Curricula der Fachgesellschaften etabliert sein.

Grösste Herausforderung bei der Umsetzung wird sein, in den unter dem Ökonomisierungsdruck leidenden Kliniken die nötige Zeit zu finden für direkte Beobachtung und kurze Feedbackgespräche. Es braucht einen Kulturwandel und zudem muss die Vermittlung der kompetenzbasierten WB erlernt werden. Das SIWF bietet deshalb strukturierte Teach-the-Teacher-Kurse an, welche das Know-how und die Feedback-Kultur in die Kliniken bringen sollen (https://cbme.siwf.ch/de).

Die Generationen Y und Z sind offensichtlich für Feedbacks sehr empfänglich. Zudem hat gutes Feedback einen grossen Einfluss auf die Dynamik eines Teams, die gegenseitige Wertschätzung wird verbessert und führt hoffentlich dazu, dass junge Ärzt:innen mit Freude und Erfüllung ihren Beruf langfristig ausüben.

Die Weiterbildung ist in unserem Gesundheitssystem noch immer massiv unterfinanziert. Der von den Kantonen gesprochene jährliche Betrag für die Weiterbildung von mindestens CHF 15'000.- pro Assistenzärzt:in reicht bei Weitem nicht aus für eine adäquate Aufwand-Abgeltung. Zweckgebunde Verbuchung für Weiterbildungsauslagen sind zwar zu fordern, eine selbstverständliche Implementierung der Weiterbildung in den klinischen Alltag trotz Spardruck ist aber von noch grösserer Bedeutung [4].

Das SCS ist mit dem nun etablierten CSC bestrebt, die chirurgische Basisweiterbildung in der gesamten Schweiz zu harmonisieren, zu standardisieren und qualitativ weiterzubringen zum Wohle der Patient:innen. Um die Kompetenz in der Patientenversorgung zu verbessern, organisieren das SCS und die SGC in Zusammenarbeit mit dem Royal College of Surgeons of England seit 2024 den CCrISP (Care of the Critically Ill Surgical Patient). Der zweitägige Hands-on-Kurs bietet den jungen Chirurg:innen eine strukturierte Herangehensweise zur Erkennung und initialen Behandlung kritisch kranker chirurgischer Patient:innen. Zudem werden positive Feedbackkultur und effiziente Kommunikation im Team gelehrt und trainiert. Der Pilotkurs im März dieses Jahres ist sowohl bei den Teilnehmenden wie auch den Instruktor:innen auf grosse Begeisterung gestossen (Abb. 5). Weitere Kurse finden sich auf der Homepage des SCS (https://swisscollegeofsurgeons.ch/weiterbildung/ccrisp-course-care-of-the-critically-ill-surgical-patient).

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Abb.5: Simulationstraining während eines CCrISP-Kurses

Wir danken Dr. med. Adi Marty für die kritische Durchsicht des Manuskriptes.

Referenzen
  1. Brodmann Maeder M (2022) Das SIWF und die kompetenzbasierte ärztliche Weiterbildung. Schweizerische Ärztezeitung 91:2022. https://doi.org/10.4414/saez.2022.20521
  2. Widmer M.K, Rosso R., Furrer M. HD (2023) Auf in Richtung kompetenzbasierte Chirurgie. Schweiz Aerztezeitung 104:31–33
  3. Breckwoldt J, Brodmann Maeder M (2022) Kompetenzbasierte Bildung-eine Einführung. Schweizerische Ärztezeitung 103:170–173. https://doi.org/10.4414/saez.2022.20510
  4. 4Hänggeli C (2022) Finanzierung der Weiterbildung: ein Meilenstein ist erreicht. Schweizerische Ärztezeitung 103:2022. https://doi.org/10.4414/saez.2022.20862

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